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Haushaltskürzungen und unsichere Projektfinanzierungen gefährden soziale Strukturen

Anlässlich des verspäteten Haushaltsentwurfs für 2024 machen der PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein und seine Mitgliedsorganisationen Frauennetzwerk zur Arbeitssituation e.V., HAKI e.V. und ZEBRA e.V. auf die unsicheren Finanzierungsstrukturen in der Sozialen Arbeit aufmerksam.

„Jeder Euro, der am Sozialen gespart wird, ist einer zu viel,“ sagt Michael Saitner, geschäftsführender Vorstand des PARITÄTISCHEN SH, Dachverband von rund 500 sozialen Organisationen in ganz Schleswig-Holstein. „Die drohenden Kürzungen sowie der verspätete Haushaltsentwurf werden für viele soziale Strukturen das Aus bedeuten und den sozialen Frieden in der Gesellschaft massiv gefährden.“
Insbesondere soziale Organisationen, die ihre Angebote über befristete Projektfinanzierungen aufrechterhalten, sind in großer Sorge: Viele Projekte sind bis zum 31. Dezember 2023 bewilligt, wenn der Haushalt jedoch erst im Frühjahr 2024 verabschiedet wird, bedeutet dies eine Finanzierungslücke und damit große Verunsicherung bei Organisationen und Mitarbeitenden. Letztere werden sich aufgrund befristeter Arbeitsverträge auf andere Stellen bewerben, wodurch mühsam aufgebaute Strukturen zusammenbrechen.

„Viele Angebote sind aufgrund von Projektförderungen seit Jahren nicht langfristig planbar, eine Verstetigung unmöglich,“ so Michael Saitner. „Wenn jetzt noch Kürzungen ins Spiel kommen, wird sich das negativ auf unsere Gesamtgesellschaft auswirken.“

Stefanie Kohlmorgen, Geschäftsführerin des Vereins Frauennetzwerk zur Arbeitssituation e.V., der Frauen im Erwerbsleben fördert und sich für Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt einsetzt, berichtet: „Nicht nur, dass die Anträge und Dokumentationen in den Projekten immer aufwändiger werden und damit weniger Zeit für die inhaltliche Arbeit zur Verfügung steht – aus der Finanzierungslücke entstehen auch erhebliche Personallücken. Und diese lassen sich aktuell nicht mehr so leicht schließen. Auch die Soziale Arbeit ist von einem Fachkräfteproblem betroffen! Potenzielle Mitarbeiter*innen haben häufig eine Anstellung und müssen diese erst einmal kündigen. Damit entsteht mit der Personallücke auch ein Defizit in der Aufgabenerfüllung des Projekts und eine Verzögerung des Projektstarts. Wenn die geplanten Teilnahmezahlen nicht entsprechend erreicht werden, arbeiten die wenigen Mitarbeiter*innen noch mehr, machen Überstunden, verspüren Druck. Oder der Träger wird als nicht zuverlässig eingestuft und zukünftig nicht zum Antrag aufgefordert. Wir möchten als Träger gute und dauerhaft gesunde Arbeitsplätze für unsere Mitarbeitenden zur Verfügung stellen. Dazu müssen aber auch die Rahmenbedingungen innerhalb der Förderrichtlinien passen.“

Andrea Dallek, Geschäftsführung bei HAKI e.V. kennt die prekären Arbeitsverhältnisse in einer Fachstelle nur allzu gut: „Wir werden landesweit von Schulen, Beratungs- und Fachstellen, Einrichtungen und Einzelpersonen zu Hinweisen, Fortbildungen und Beratungen im Themenbereich geschlechtliche Vielfalt angefragt. Dabei haben wir über staatliche Förderung nur 3,7 Stellen, die wir uns mit fünf Teilzeitkräften und fünf Minijobs teilen. In den Bereichen Erwachsenenbildung und Beratung haben wir keine geförderten Stunden. Durch die angekündigten Kürzungen und die verzögerte Haushaltsverabschiedung sind nicht nur Projektmittel unsicher, auch im Bereich der institutionellen Förderung haben wir keine Planungssicherheit mehr - und das in einem gesamtgesellschaftlich äußerst relevanten Themenbereich, in dem durch das kommende Selbstbestimmungsgesetz die Bedarfe an Information und Unterstützung schon jetzt spürbar steigen.“

ZEBRA e.V. trägt drei Projekte im Bereich der Beratung nach rassistischen, antisemitischen und anderen rechten Angriffen sowie der Dokumentation von rechten Gewalttaten und antisemitischen Vorfällen. Prof. Dr. Melanie Groß, Vorstandsmitglied: „Keine der drei Projektförderungen ist bedarfsgerecht oder verlässlich. Ein zu spät ausgestellter Zuwendungsbescheid für 2024 bedeutet Arbeitslosigkeit für Fachkräfte, die wir dringend brauchen. Der Ausschluss einer Erhöhung von Mitteln oder gar eine Kürzung bedeuten bei anstehenden tariflichen Erhöhungen de facto deutliche Einbußen - das sind bei uns bis zu 1000 Arbeitsstunden, die 2024 nicht geleistet werden können.“ Dr. Björn Elberling, Vorstandsmitglied, führt dazu weiter aus: „Als Träger der Sozialen Arbeit lassen sich diese Einbußen aber eben nicht mal eben wegrationalisieren, sie haben unmittelbaren Einfluss auf den Leistungsumfang in den Projekten. Auch wenn das so niemand hören möchte, aber jeder Euro, der hier gespart wird, geht direkt zu Lasten besonders vulnerabler Gruppen.“